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Montag, 15. Dezember 2014

Aluminium: Wie gefährlich ist es?

Aluminium: Wie gefährlich ist es?

Das Leichtmetall findet sich in Kosmetika, Gewürzen und Lebensmitteln. Doch wie schädlich ist Aluminium? Ein Faktencheck

Frau in Aluminiumfolie
Zum Frischhalten nicht in jedem Fall geeignet: Alufolie

Zum Frischhalten nicht in jedem Fall geeignet: Alufolie
Seit Jahren ist das Gerücht in Umlauf, Aluminium wäre mitverantwortlich für die Erkrankung an Alzheimer oder Brustkrebs. Wissenschaftlich erwiesen ist der Zusammenhang bislang jedoch nicht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat in einer Stellungnahme dennoch geraten, den Gebrauch von schweißhemmenden Mitteln, sogenannten Antitranspirantien, mit Aluminiumsalzen einzuschränken – oder am besten ganz darauf zu verzichten und auf andere Deodorants umzusteigen. Gefährdungspotential steckt aber nicht nur in Antitranspirantien: Vor kurzem schreckte auch die Meldung der Verbraucherzentrale Bayern viele Menschen auf, wonach jede fünfte Brezel im Freistaat aufgrund zu hoher Aluminiumwerte nicht verkehrsfähig sei. Zu diesem Ergebnis führte eine von der Verbraucherzentrale in Auftrag gegebene Erhebung durch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

Das süddeutsche Brezel-Debakel

Neu ist die Aufregung um die Brezel nicht. Schon seit rund zehn Jahren erhitzt die Alu-Brezel die Gemüter. Schuld, auch am jetzigen Debakel, ist der Herstellungsprozess in den Bäckereien. Denn wenn mit Lauge behandelte Brezeln auf einem Aluminium-Backblech ohne Backpapier gebacken werden, verkürzt sich zwar die Backzeit. Aber die Lauge greift auch die Backunterlage an, und das Leichtmetall kann in das Gebäck übergehen. „Wer nur einmal die Woche eine der Brezeln erwischt, muss sich keine Gedanken machen“, sagt Alfonso Lampen, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit beim BfR. „Aber wer über Jahre hinweg täglich beim selben Bäcker eine Brezel mit zu hohen Aluminiumgehalten kauft, muss unter Umständen mit gesundheitlichen Folgen rechnen, die wir noch nicht absehen können.“

Wo Aluminium sonst noch enthalten ist

Aluminium ist das dritthäufigste Element der Erdkruste und das häufigste Metall. Jahrhunderte lang war es so gebunden, dass die Lebewesen damit nicht in Berührung kamen. Doch mit der Industrialisierung und dem sauren Regen wurde es mehr und mehr verfügbar. Über den Boden gelangt es in die Pflanzen und Lebensmittel, die wir verzehren. In geringen Mengen taucht es daher in fast allen Lebensmitteln und einigen kosmetischen Produkten auf, vor allem in getrockneten Kräutern, Gewürzen, Trinkwasser, in Zahnpasta, in Sonnenschutzmitteln und in Schokoladenprodukten. Aluminium ist auch Bestandteil von Lacken; es kommt als glänzender Überzug von Dragees oder in Nahrungsergänzungsmitteln zum Einsatz.
In dekorativer Kosmetik wie Lippenstift und Lidschatten wird Aluminium ebenfalls als Farbpigment zugesetzt. Die Dosen sind dem BfR zufolge aber zu vernachlässigen. „Selbst wenn Sie einen Lippenstift komplett abkauen und schlucken, sind sie noch in einem tolerierbaren Bereich“, sagt BfR-Toxikologin Ariane Lenzner. Aluminium steckt auch in bestimmten Impfstoffen als Verstärker. Und es gibt Medikamente, deren Aluminium-Anteil die Magensäure oder die Schweißproduktion reduziert.

Wie gefährlich sind Deckel, Folie und Pads?

Aluminiumhaltige Verpackungen wie Folien und Kaffee-Pads können ebenfalls geringe Anteile Aluminium an die Produkte abgeben – allerdings sind diese Dosen dem BfR zufolge sehr gering, wenn das Aluminium nicht mit säure-, salz-  oder laugenhaltigen Stoffen in Berührung kommt. Da Joghurtdeckel beschichtet sind, kann kein Aluminium ins Produkt gelangen. „Wer aber die Espressomaschine oder den Wasserkocher aus Aluminium mit Essigsäure reinigt, sollte unbedingt einige Male mit klarem Wasser nachspülen, weil sich das Leichtmetall in Kontakt mit der Säure aus der Maschine löst“, sagt Alfonso Lampen vom BfR. Kritischer wurde das Aluminium inzwischen in diversen Zusatzstoffen in Lebensmitteln beurteilt: wegen des teilweise erheblichen Aluminiumgehaltes hat die EU-Kommission im Sommer 2014 reagiert und einige Zusatzstoffe aus dem Verkehr gezogen. Bei anderen wurde die zugelassene Höchstmenge in verarbeiteten Produkten stark verringert. 

Wo liegt der Grenzwert?

Zwischen 1,6 bis 13 Milligramm Aluminium pro Tag oder 0,2 bis 1,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche nehmen wir nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung über die Nahrung zu uns. Eine Metastudie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ermittelte entsprechende Werte. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt in Anlehnung an die EFSA, dass ein Erwachsener pro Woche nicht mehr als ein Milligramm Aluminium pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen sollte. „Wir gehen davon aus, dass diese Menge pro Tag schon überschritten werden könnte allein durch die Verwendung von einer aufgetragenen Dosis Antitranspirant. Die anderen Einflüsse sind dabei noch gar nicht eingerechnet“, sagt Ariane Lenzner vom BfR.

Warum der Stoff in der Kritik steht

Nur bis zu einem Prozent des Aluminiums, das über die Nahrung aufgenommen wird und den Verdauungstrakt passiert, gelangt auch in den Körper - je nachdem, um welche konkrete Verbindung es sich handelt. Ein gesunder Mensch scheidet die aufgenommene Menge fast komplett wieder über die Nieren aus. Was aber der Anteil, der sich im Körper anreichert, über die Jahrzehnte macht, ist noch völlig unklar: es gibt beispielsweise Indizien für einen Zusammenhang zwischen Aluminium und Brustkrebs. „Die These beruht darauf, dass man die Antitranspirantien in der Achselhöhle aufträgt, in deren Nähe auch die meisten Brustkrebstumore gefunden werden“, sagt Toxikologin Ariane Lenzner. Die Brustkrebsrate steigt im achselnahen Bereich überproportional an im Vergleich zum unteren und inneren Teil der Brust – das haben bereits einige Studien gezeigt. In den Tumoren von Brustkrebspatientinnen wurde außerdem vermehrt Aluminium gefunden. Ob aber erst der Tumor entstanden ist und sich das Aluminium später eingelagert hat, oder ob der Stoff der Auslöser für die Tumore war, konnte wissenschaftlich bisher nicht belegt werden.

Aluminium und Alzheimer

Auch zu Alzheimer und Aluminium gibt es diverse Theorien: die Datenlage ist aber genauso uneindeutig wie beim Brustkrebs. Bei verstorbenen Alzheimer-Patienten wurden beispielsweise Aluminiumablagerungen im Gehirn gefunden. Bewiesen ist aber auch damit noch kein Zusammenhang. „Es kann auch sein, das sich Alu über ein Leben hinweg anreichert, ohne dass es einen Einfluss auf diese Erkrankung hat“, sagt Alfonso Lampen vom BfR. Fest steht nur, dass hohe Aluminiummengen beim Menschen neurotoxische Effekte oder Auswirkungen auf die Knochenentwicklung haben können. Im Tierversuch zeigten sich außerdem embryotoxische Folgen.
Ob diese extrem hohen Dosen als Auslöser im Laufe eines Lebens überhaupt erreicht werden können, und ob sie dann tatsächlich zu ernsthaften Erkrankungen führen, kann derzeit aber nicht eindeutig beantwortet werden. Fakt ist nur, dass der Mensch im Laufe seines Lebens mehr Aluminium aufnimmt, als er wieder ausscheidet. „Es wird sich dann in verschiedenen Organen anreichern im Laufe des Lebens. Beim einen wird das mehr sein, beim anderen weniger“, sagt Ariane Lenzner.

Wie Aluminium gegen Schweiß wirkt

Auf der Inhaltsliste von Antitranspirantien findet sich das Aluminium meist unter dem Begriff „Aluminiumchlorohydrate“. Die Hersteller sind zu dieser Angabe verpflichtet. In den Antitranspirantien wirken sie, indem sie Eiweiße ausfällen und einen Pfropfen in den Ausführungsgängen der Schweißdrüsen bilden. So kann der sich bildende Schweiß nicht mehr nach außen fließen, die Achsel bleibt trocken. Auch wenn das Aluminium somit rein äußerlich wirkt, kann es dennoch sein, dass es in den Körper gelangt. Repräsentative Studien, die einen Zusammenhang zwischenBrustkrebs und der Verwendung von Antitranspirantien belegen würden, gibt es nicht. Vertreter der Kosmetikindustrie planen eine große Erhebung zur Frage, wie viel Aluminium nach dem Benutzen eines Antitranspirantes tatsächlich durch die Haut aufgenommen wird.

So lässt sich Aluminium reduzieren

Muss der Verbraucher nun abwägen zwischen müffeln, nassen Achseln und einem erhöhten Brustkrebs-Risiko? „Nein. Aber wer bereits weiß, dass er tagsüber nicht so sehr ins Schwitzen kommen wird, sollte an diesem Tag auf ein Antitranspirant verzichten“, sagt Ariane Lenzner vom BfR. Im Unterschied zu normalen Deos ohne Aluminiumsalzen unterbinden Antitranspirantien nicht nur den Schweißgeruch, sondern sie verhindern eben auch lästige Achselnässe. „Keinesfalls sollte man jedoch direkt vor dem Auftragen die Achselhaare rasieren“, sagt Ariane Lenzner. Ihr Tipp: Abends die Achseln enthaaren, und erst am nächsten Morgen wieder deodorieren. Wer auf trockene Achseln Wert legt, kommt allerdings nicht um die Aluminiumsalze herum. Generell kann beim Einkaufen folgende Faustregel helfen: Antitranspirantien enthalten bisher immer Aluminiumsalze. Diese müssen im Inhaltsstoff-Verzeichnis auch angegeben sein. Es gibt aber auch Deo-Kristalle, auf denen bisweilen die Bezeichnung ‚Alaun’ oder ‚Alum’ zu finden ist. Auch dabei handelt es sich um Aluminiumverbindungen.

Tipps für den Haushalt

Das BfR empfiehlt, säure- und salzhaltige Speisen nicht in Alufolie aufzubewahren. Generell ist es Lebensmittel-Experte Alfonso Lampen zufolge wichtig, unsachgemäßen Gebrauch mit Alufolie, Alugrillschalen und unbeschichtetem Alugeschirr zu vermeiden. „Im Klartext heißt das: kein Alu, wenn man säure- oder salzhaltige Produkte verwendet“, sagt Lampen. Beim Grillen kann das durchaus mal passieren: „Deshalb sollte das Grillgut erst spät gewürzt werden. Marinaden sind in dem Fall nicht so günstig“, sagt Lampen. Trotzdem rät der Experte nicht vom Gebrauch von Alu-Grillschalen ab. „Da Grillschalen andere toxische Stoffe  – etwa polyzyklische Kohlenwasserstoffe – abhalten sollen, überwiegt laut BfR der Nutzen dem Risiko“, sagt Lampen. Bei Salzheringen und Forellen mit Zitrone ist der Fall aber eindeutig: der Hering gehört wegen dem Salz auf keinen Fall in Alufolie, bei der Forelle reagiert die Säure der Zitrone mit dem Alu. „Deshalb sollte man auch weder Apfelschnitze noch Obstkuchen mit Alufolie einwickeln“, sagt Lampen. Tomatenpüree in Aludosen ist wiederum kein Problem – sofern die Dosen beschichtet sind. Und das sind sie in Deutschland.

Der Blech-Check

Bei den Brezeln ist die Lösung simpel: Bäcker sollten entweder ihre Aluminium-Backbleche austauschen und stattdessen Edelstahl-Bleche einsetzen oder zumindest Backpapier benutzen. „Wer sich beim Bäcker unsicher ist, worauf gebacken wurde, sollte einfach nachfragen“, sagt Ursula Liersch von der Verbraucherzentrale Bayern. Die Bäcker unterliegen der Auskunftspflicht. Im Privathaushalt erkennt man Alubleche übrigens einfach: sie sind silbrig-weiß, sehr leicht und nicht magnetisch. Auch wenn noch vieles unklar ist beim Aluminium, in einer Hinsicht herrscht Konsens. Alfonso Lampen: „Man sollte keine Panik schüren, aber man darf es eben auch nicht bagatellisieren.“

Christine Pander

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